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Die demokratische Herrschaft des Kapitals

Nach den formalen Regeln des Parlaments kommen die Abgeordneten zusammen, tauschen ihre Argumente aus und entscheiden dann nach ihrer Vernunft. Tatsächlich aber beherrschen kapitalistische Klasseninteressen den Inhalt und nicht eine avancierte Vernunft. Die formale Demokratie muss also immer nach ihren sozialen Inhalt befragt werden. Seit auch sozialistische und kommunistische Parteien im Parlament vertreten sind, kann das Interesse der Kapitaleigner und ihrer Klientel sich nicht mehr nur über den besten Weg der Kapitalakkumulation (Wachstum) streiten, sondern muss sich auch mit den Kritikern dieses Wirtschaftssystems auseinander setzen. Dabei hat die Kapitalfraktion, das sind heute fast alle Parteien bis auf Teile der PDS, eine vielfältige Strategie entwickelt. 

Zunächst hat man immer wieder kapitalismuskritische Parteien verboten, so die frühe SPD mit dem Sozialistengesetz, die KPD in den Fünfziger Jahren der BRD und das Berufsverbot für Beamte, die systemkritisch sind, in den Siebziger Jahren. Andere administrative Maßnahmen sind die Diskriminierung über die Beobachtung durch den Verfassungsschutz und seine Einsetzung zu Propagandazwecken.

 Entscheidend ist aber die Aushöhlung des Parlaments selbst. Viele Regelungen der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens werden heute auf dem Verordnungsweg durchgeführt, das Parlament gibt - wenn überhaupt - nur Generalklauseln, die von der Exekutive ausgefüllt werden können. War bei der ursprünglichen Gewaltenteilung auch an eine gesellschaftliche Ausbalancierung der Macht gedacht, der König hat die Exekutive inne, der Adel stellte die Richter, im Parlament war vor allem das Bürgertum präsent, so haben wir heute eine Gewaltenteilung von Institutionen. Da aber die führenden Parteien sowohl die Exekutive, die Legislative wie die Judikative mit ihrem Personal besetzen, wird die gegenseitige Kontrolle ausgehöhlt oder findet nicht mehr statt. Da in den Parteien, die Großorganisationen mit einer gegliederten Verwaltung sind, die Funktionäre dominieren und auch die demokratischen Gremien wie die Parteitage beherrschen, können sie ohne Rücksicht auf gegenseitige Kontrolle ihre Politik untereinander auskungeln. Fraktionszwang und Fünfprozentklausel gehören in diesen Zusammenhang. Die bürgerliche Demokratie hat sich faktisch zur autoritären Demokratie entwickelt, in der das Wahlvolk lediglich Einfluss auf das quantitative Verhältnis der verschiedenen Parteibürokratien hat, nicht aber die Richtung der Politik bestimmen kann. Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit stimmen nicht überein. 

Die politische Elite, Parteiführer, Führer der Unternehmerverbände und Gewerkschaftsführer, meinungsbildende Journalisten und Vorsitzende großer Vereine, beherrscht das Bewusstsein der Massen. Sie bilden mit den Medien ein System, dessen inneren Unterschiede belanglos sind gegenüber dem Hauptstrom dessen, was die Leute denken sollen. Das geht heute so weit, dass sogar gegen die bundesdeutsche Verfassung und gegen das internationale Völkerrecht ein imperialistischer Angriffskrieg mit vorfabrizierten Lügen wie ein normaler politischer Akt gerechtfertigt wird und der Bevölkerung als Rettung der Menschenrechte verkauft werden kann - ohne nennenswerten Widerstand. Die kleinen oppositionellen Gruppen unterliegen der repressiven Toleranz, d.h. sie werden nur geduldet, um sie als absurde Abweichler von der Hauptmeinung vorführen zu können. 

 Zur Illustration: Verblendungszusammenhang

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War der liberale Staat im 19. Jahrhundert vor allem der "Nachtwächterstaat", der die Sicherheit der Bürger und die Einhaltung des Rechts schützte, so ist der heutige Staat selbst der größte Unternehmer, greift massiv in die Wirtschaft mit Subventionen, Förderprogrammen und über die Steuerpolitik ein und macht dadurch aus dem Privatkapitalismus einen organisierten Kapitalismus. Ihm stehen auch nicht mehr die vielen konkurrierenden Einzelunternehmer gegenüber, sondern große Konzerne, die selbst vielfältig mit dem Staat verflochten sind, zugleich aber auch international agieren. Sie sind aber nicht von den Staaten unabhängig, auch wenn manche Konzerne einen Umsatz haben, der den Haushalt kleinerer Länder übertrifft. Sondern sie benötigen das Gewaltpotential des Staates oder von Staatengemeinschaften zur Sicherung ihrer Geschäftsbedingungen

War der klassische Imperialismus ein Kolonialimperialismus, so herrscht heute der "Dollarimperialismus"  und Handelsimperialismus vor, also die Durchsetzung des Freihandels und des freien Kapitalexports gegenüber ökonomisch schwächeren Staaten, so dass diese allein über das Wertgesetz und den Kredit ausgebeutet werden können. Das dafür ein Gewaltpotenzial nach wie vor vorhanden sein muss und evtl. auch aktualisiert werden kann, bleibt eine notwendige Bedingung. So sagt der neue Auftrag der Bundeswehr nach der Wiedervereinigung der beiden Deutschland klipp und klar: Ihr Zweck ist die "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung" (zitiert nach Konkret Nr. 3, 1993)  (Gerecht ist nach kapitalistischem Verständnis der Tausch von Äquivalenten nach dem Wertgesetz, d.h. tatsächlich die Abschöpfung von Mehrwert in Form von Extraprofit aus Sektoren mit niederer Arbeitsproduktivität allein durch den Handel, vgl. "Ökonomie" / Wertgesetz und unsere Illustration)  Da die Sicherung der internationalen Geschäftsbedingungen und der daraus fließende Extraprofit selbst kein Geschäft ist, sozialisieren die Konzerne ihre imperialistischen Kosten, indem sie die Schmutzarbeit von Drohungen und Kriegen meist dem Staat überlassen. 

Die Bevölkerung kann sich in den entwickelten Industriestaaten durchschnittlich einige Konsumgüter leisten, wie das in den vorhergehenden Jahrhundert noch nie der Fall war. Der Grund sind weniger die Lohnerhöhungen, sondern mehr die wertmäßige Verbilligung dieser Produkte. Der Ausbeutungsgrad hat sich eher vergrößert (vgl. Ökonomie).  Schichten, die aus dem Kreislauf von Produktion und Konsumzwang herausfallen, werden vom Staat alimentiert. Vielleicht ist dieser historisch relative Wohlstand ein Grund für die politische Apathie der Massen gegenüber den autoritären Demokratie-Führern. Dennoch enthält das demokratisch kapitalistische System Widersprüche, die zur Veränderung drängen. Der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit kann nicht ganz durch die opportunistische Gewerkschaftsführung verdeckt werden, die heute eher ein Transmissionsriemen des Kapitals ist als dass sie die objektiven Interessen der Arbeitenden  vertritt.  Entfremdung und Verdinglichung sind Phänomene, die das Leben beherrschen. Im Bildungssektor muss die Spezialisierung ständig vorangetrieben werden, doch auch Allgemeinbildung ist ökonomisch notwendig, so dass nicht verhindert werden kann, dass die Menschen ihre formal antrainierten Denkfähigkeiten auch zur Analyse und Kritik der bestehenden Verhältnisse nutzen.

 Trotz des Sieges im "Kalten Krieg" gegen die Sowjetunion können die kapitalistischen Staaten ihre Hochrüstung nicht beseitigen. In dem imperialistischen System liegt derart viel Zündstoff, dass eine Armee zur Standardausrüstung eines Staates gehört.  Denkbar ist, dass die Spannungen zwischen den imperialistischen Mächten, also vor allem zwischen dem vereinigten Europa und den USA und den asiatischen Staaten, sich vergrößern und auch mit kriegerischen Mitteln gelöst werden (zunächst evtl. in Form von "Stellvertreterkriegen" oder zur Beherrschung von Regionen wie der Krieg mit einigen muslimischen Staaten). Trotz organisierten Kapitalismus funktioniert dieser weiterhin naturwüchsig, er enthält eine innere Dynamik, die zu gesellschaftlichen Katastrophen führen kann. Angesicht der angehäuften Destruktivkräfte wie den Nuklearsprengköpfen ist damit die Existenz der Spezies Mensch auf diesem Planeten bedroht. Diese Tatsache zwingt zum Durchdenken von Alternativen.

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Sozialismus

Real möglich ist eine neue Gesellschaftsordnung, wenn alle materiellen Bedingungen vorhanden sind und die Subjekte des Handelns diese Ordnung auch wollen. Die große Leistung des Kapitalismus' war es, die Produktion bis zur Automation vorangetrieben zu haben. Er hat die materiellen Bedingungen für eine fortschrittlichere Gesellschaft erzeugt. Ob die Subjekte der Politik diese auch wollen und aktiv dafür eintreten, hängt von ihrem freien Denken und überlegten Entschluss ab. Diese Einführungskurse beabsichtigen, den Leser von einer sozialistischen Alternative zu überzeugen. Philosophie ist nicht nur die objektive Darstellung, die Welt in Gedanken gefasst, sondern auch eingreifendes Denken, das Fortschreiten von der Erkenntnis zur Tat.

Ein Ausmalen einer alternativen Gesellschaftsordnung ist unseriös, wir Heutigen wissen nicht, welche Bedürfnisse und Interessen die Menschen in der Zukunft haben werden. Dennoch lassen sich auf Grund des heutigen avancierten Denkens, das auf den Erfahrungen des bisherigen Sozialismus beruht,  einige Prinzipien formulieren, die eine Vorstellung von Sozialismus vermitteln.

Die Produktionsmittel sind in der Hand der Gesellschaft, die nach einem verabredeten Plan die Produktion organisiert. Damit alle moralisch legitimen Bedürfnisse in den Plan eingehen und nicht eine Bürokratie von sich aus bestimmt, ist ein Produktionsparlament nötig, so dass jeder Einzelne zugleich den Plan mitbestimmt und sich von dem Plan - einmal verabschiedet - bestimmen lässt. Die Gesellschaft beschließt, was sie produzieren will und wie es verteilt wird. Sie entscheidet über Investitionen und auch wieweit sie sich besondere Wünsche und Luxusprodukte leisten kann und will. 

 Die einzelnen Betriebe haben eine gewisse industrielle Autonomie gegenüber dem zentralen Planungsgremium, solange sie sich im Rahmen des Plans bewegen,  und werden von den örtlichen Selbstverwaltungsorganen kontrolliert. Arbeit bleibt eine notwendige Naturbedingung des menschlichen Lebens. Da aber nicht produziert wird um der Produktion willen wie im Kapitalismus, kann die Arbeitszeit drastisch reduziert werden. Reichtum bedeutet, wirklich freie Zeit (Muße) zu haben. Dennoch bleibt es eine Notwendigkeit, mehr zu produzieren als im vorherigen Zeitraum, also eine erweiterte Produktion zu betreiben, nicht nur um einen Fortschritt zu ermöglichen oder einen Sicherheitsfond zu haben für Notfälle, sondern allein schon, um eine hochtechnisierte und automatische Produktion aufrechtzuerhalten. Diese Mehrleistung geben die Arbeiter freiwillig aus Solidarität mit ihrer Gesellschaft. Im Gegensatz zum Kapitalismus, wo die Mehrarbeit in Form des Mehrwert ihnen abgepresst wird und dem privaten Kapitaleigner zufließt, bestimmen sie im Sozialismus selbst, wozu diese Mehrarbeit verwendet wird. Zweck der Produktion ist die Bedürfnisbefriedigung der Bevölkerung und nicht eine sinnlose Akkumulation von abstrakten Reichtum. Reichtum erscheint neben den Gütern in der Erweiterung der freien Zeit, die den Individuen die Selbstverwirklichung ermöglicht.

In einer Übergangsphase  wird die individuelle Leistung den Anteil am Gesamtprodukt bestimmen, den der Einzelne erhält. "Die individuelle Arbeitszeit des einzelnen Produzenten ist der von ihm gelieferte Teil des gesellschaftlichen Arbeitstages, sein Anteil daran.  (...) Das gleiche Recht ist hier immer noch - dem Prinzip nach - das bürgerliche Recht, obgleich Prinzip und Praxis sich nicht mehr in den Haaren liegen, während der Austausch von Äquivalenten beim Warentausch nur im Durchschnitt, nicht für den einzelnen Fall existiert. (...) In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen - erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!" (Marx: Kritik des Gothaer Programms, S. 20 f.)  

Über diese sozialistische Produktionsweise stirbt der Staat allmählich ab und wird ersetzt durch eine Rückname der Verwaltungsfunktionen in die Gesellschaft. Aus der Verwaltung von Personen wird immer mehr die Verwaltung von Sachen. Der erste Schritt dieser Rücknahme ist die Räteorganisation. Die wahlberechtigte Bevölkerung wählt mit imperativem Mandat ihre Kandidaten in den Ortsrat oder die Kommune. Der Ortsrat ist das wichtigste Organ der Rätedemokratie. Er ist beschließendes und ausführendes Organ. Er führt die gesamtgesellschaftlichen und bezirklichen Beschlüsse aus, regelt die Angelegenheiten der Kommune. Er vereinigt die legislative und exekutive Gewalt. Der Ortsrat ernennt Beamte, die jederzeit absetzbar sind, und - wenn noch erforderlich ist - leitet er die Miliz und Polizei und kontrolliert sie. Die Richter werden direkt vom Volk gewählt und kontrolliert. 

Die Kontrolle findet durch die Bevölkerung statt, also von unten nach oben, nicht wie im Parlamentarismus (idealerweise) zwischen den Institutionen. Die Bevölkerung kann den Ortsrat jederzeit abwählen und durch einen neuen ersetzen. Damit dies nicht von einer Partei dominiert wird, wie in der Sowjetunion, müssen die bürgerlichen Menschenrechte (bis auf die Freiheit des Produktiveigentums) und darüber hinaus das Moralgesetz gelten. Erst jetzt kommen die Menschenrechte zu ihrer Realisierung und die Bedingungen für die Moralität der Menschen sind geschaffen. 

Die Ortsräte eine Bezirks wählen und kontrollieren den Bezirksrat, der die Angelegenheiten, die den Bezirk als Ganzen betreffen, regelt. Die Bezirksräte eines Landes wählen und kontrollieren wieder mit imperativen Mandat den Landesrat, der vor allen für allgemeine Gesetze, Außenpolitik, Koordination der Landesverteidigung zuständig ist. Die Ausführung der Beschlüssen von Landesrat und Bezirksrat liegt allein in den Händen der Ortsräte. Probleme, die sich daraus ergeben, müssen in Detail und nach entsprechenden Erfahrungen in der Praxis gelöst werden.

Schematischer Überblick: Rätesystem

Vorstellbar wäre auch ein funktionierendes parlamentarisches System, allerdings mit einem sozialistischen Inhalt, das plebiszitäre Elemente in sich aufnimmt, um an der Gestaltung von Politik auch die Bevölkerung teilnehmen zu lassen. Denn in einer Massengesellschaft ist eine direkte Demokratie auf Landesebene technisch schwierig umzusetzen. 

Sozialismus oder Kommunismus als Gesellschaftsmodelle lösen nicht alle Probleme der Menschen. Sie schaffen den unsäglichen Mechanismus einer entfremdeten Produktion ab, deren Folge gesellschaftliche Eruptionen waren und noch sind, die drohen, die Menschheit auszulöschen. Der Sozialismus schafft die materiellen Bedingungen des Glücks für die Menschen. Auf welche Art die Menschen aber glücklich werden, das hängt wesentlich von ihnen selbst ab. 

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Strategie und Taktik einer antikapitalistischen Bewegung

Das Subjekt der Veränderung kann nur die lohnabhängige Klasse selbst sein und davon insbesondere die Mehrwertproduzenten, weil sie allein das Kapital durch ihre Arbeitsverweigerung daran hindern können, sich zu verwerten. Sie haben als geschlossene Klasse, die für sich geworden ist, d.h. ein Klassenbewusstsein und einen gewissen Organisationsgrad entwickelt hat, die Möglichkeit einer revolutionären Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Eine Umgestaltung in einem Land würde zu einer derartigen Einschnürung der Bedingungen führen bis hin zum Krieg, so dass keine Alternative zum demokratischen Kapitalismus entstehen kann. "Die große Industrie hat schon dadurch, daß sie den Weltmarkt geschaffen hat, alle Völker der Erde, und namentlich die zivilisierten, in eine solche Verbindung miteinander gebracht, daß jedes einzelne Volk davon abhängig ist, was bei einem andern geschieht. Sie hat ferner in allen zivilisierten Ländern die gesellschaftliche Entwicklung so weit gleichgemacht, daß in allen diesen Ländern Bourgeoisie und Proletariat die beiden entscheidenden Klassen der Gesellschaft, der Kampf zwischen beiden der Hauptkampf des Tages geworden ist. Die kommunistische Revolution wird daher keine bloß nationale, sie wird eine in allen zivilisierten Ländern, d.h. wenigstens in England, Amerika, Frankreich und Deutschland gleichzeitig vor sich gehende Revolution sein." (Engels: Grundsätze des Kommunismus, S. 374)  Die Geschichte der Sowjetunion hat - abgesehen von regionalen historischen Bedingungen - auch im 20. Jahrhundert schlagend demonstriert, dass eine Veränderung nur im Weltmaßstab gelingen kann. Angesichts der heute entwickelten Destruktivkräfte ist auch die Frage  einer kriegerischen Revolution oder eines revolutionären Bürgerkrieges nicht mehr aktuell, will sich die Menschheit, statt in den Sozialismus überzugehen, nicht selbst vernichten. Effizient sind nur noch zivilisatorische Mittel von der Aufklärung bis zum Generalstreik. 

Der geforderten Organisiertheit steht die hilflose Zersplitterung der antikapitalistischen Bewegung gegenüber; der notwendigen internationalen Solidarität entspricht heute kaum noch etwas; und außer das im Mediendschungel untergehende Wort haben die zersplitterten Gruppen heute kaum politische Mittel der Veränderung. Es scheint so, als ob die revolutionäre Bewegung wieder in die  Zirkel und die Handwerkelei des frühen 19. Jahrhundert in Westeuropa (oder Russlands Ende des 19. Jahrhunderts) zurückgefallen ist. Doch wenn man bedenkt, dass die bürgerliche Welt 500 Jahre brauchte, um sich von der feudalen Welt zu emanzipieren, dann ist dies nur ein kurzer Zeitraum. Außerdem hat die Idee des Sozialismus breite Spuren hinterlassen, ist zur größeren intellektuellen Klarheit vorgestoßen und wird bei den kommenden gesellschaftlichen Eruptionen eine Möglichkeit sein, diese ein für allemal abzuschaffen.

Was die antikapitalistische Bewegung in dieser Situation tun kann, ist da anzufangen, wo die alte Arbeiterbewegung sich paralysiert hat, um es besser zu machen: Sie muss sich organisieren, ihre Anhänger theoretisch schulen, sich mit anderen Gruppen organisatorisch verbinden, dabei ein ausgeglichenes Verhältnis von Spontaneität und Organisationsformen finden. Sie muss darauf achten, dass nicht wieder eine Funktionsbürokratie sich verselbständigt und Eigeninteressen gegen die Ziele der Bewegung entwickelt oder sich opportunistisch im Bestehenden einpasst; sie muss aber auch funktionsfähige Strukturen entwickeln, die nicht nur auf Spontaneität beruhen oder gar nach Lust und Laune funktionieren. Sie muss im Parlament - trotz der obigen Kritik - präsent sein und ihr zweites Standbein im außerparlamentarischen Bereich haben, in den Stadtvierteln, Betrieben, Schulen usw. 

Eine solche neue Bewegung muss sich um die konkreten Probleme der Menschen kümmern, Reformen anstreben, ohne zu vergessen und zu betonen, dass die meisten Probleme nicht im Kapitalismus vernünftig lösbar sind. Rosa Luxemburg beschreibt für die damals noch teilweise revolutionäre Sozialdemokratie diese Doppelstrategie: "Für die Sozialdemokratie bildet der alltägliche praktische Kampf um soziale Reformen, um die Besserung der Lage des arbeitenden Volkes noch auf dem Boden des Bestehenden, um die demokratischen Einrichtungen vielmehr den einzigen Weg, den proletarischen Klassenkampf zu leiten und auf das Endziel, auf die Ergreifung der politischen Macht und die Aufhebung des Lohnsystems, hinzuarbeiten. Für die Sozialdemokratie besteht zwischen der Sozialreform und der sozialen Revolution ein unzertrennlicher Zusammenhang, indem ihr der Kampf um die Sozialreform das Mittel, die soziale Umwälzung aber der Zweck ist." (Rosa Luxemburg: Sozialreform oder Revolution, S. 369.)  Auch wenn einige Probleme sich geändert haben, es gibt auch heute noch in den kapitalistischen Metropolen Elend und in der sogenannten Dritten Welt leben fast eine Milliarde Menschen mit dem Hunger. 

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Das Glück des Kampfes für eine Veränderung der Welt

Die unmittelbaren Probleme der meisten Menschen in den kapitalistischen Zentren haben sich in den moralischen Bereich verschoben, wir leiden an der Sinnlosigkeit des Daseins, des ziellosen Kreislaufs von Produzieren und Konsumieren. Wir ekeln uns vor dem Zwang, jeden Tag zu einer fremd bestimmten Arbeit gehen zu müssen, vor der  Verblödung durch die Bewusstseinsindustrie, deren Ablenkung wir dennoch brauchen, um weiter mitmachen zu können. Wir treiben Sport und wissen doch nicht, wozu wir einen sportlichen Körper brauchen. Wir müssen ständig Rollen einnehmen, ohne unser Selbst (das ist unsere Vernunft) pflegen zu können, das diese Rollen allererst zusammenhalten könnte. Wir ertrinken in Banalitäten und Langeweile...

Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass der entscheidende Grund für die praktische Notwendigkeit einer Veränderung die Wahrscheinlichkeit der Selbstvernichtung der Spezies Mensch ist, auf die der Kapitalismus hintriebt, indem sein Konkurrenzkampf immer wieder mit kriegerischen Mitteln fortgesetzt wird und die schleichende Zerstörung einer lebenswerten Umwelt durch die naturwüchsige Steigerung der Produktion bereits voll im Gange ist. Der Marxsche Imperativ, "alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist" (Marx: Einleitung, S. 385), gilt heute noch mehr als von 150 Jahren. Statt Rosa Luxemburgs Alternative: "Sozialismus oder Barbarei", eine Barbarei, die bekanntlich im Faschismus bereits da war, muss es heute in historischer Perspektive heißen: "Sozialismus oder Untergang der Menschheit". Der Kampf für eine bessere Welt ist deshalb dem Menschen als Pflicht auferlegt, d.h., er ist innere Nötigung durch die Vernunft.

Die einzige Möglichkeit, aus der bestehenden Apathie zu entfliehen und zumindest Momente des menschenmöglichen Glücks zu erfahren, ist der Kampf für eine bessere Welt. So lässt der Spanienkämpfer und Mitglied des Widerstandes gegen die faschistische Besatzung Frankreichs, Jorge Semprun, seinem Romanhelden sagen: "Ich denke, daß ich noch nie, bis jetzt noch nie, etwas mit einem Seitenblick auf das Glück oder Unglück, das mir daraus erwachsen könnte, unternommen oder beschlossen habe. Ich muß sogar lachen bei dem Gedanken, daß mich jemand fragen könnte, ob ich an das Glück gedacht habe, das dieser oder jener Entschluß mir bringen könnte, als sei irgendwo ein Vorrat an Glück, eine Art Glückskonto vorhanden, von dem man Glück abheben kann, als sei das Glück nicht im Gegenteil etwas, was sich oft mitten in der größten Verzweiflung, mitten in der brennendsten Not einstellt, nachdem man getan hat, was man zu tun gezwungen war." (Die große Reise, S. 186)

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Literatur

Abendroth, Wolfgang; Lenk, Kurt: Einführung in die politische Wissenschaft. Dritte Auflage,  München 1973.

Ditfurt, Jutta: Feuer in die Herzen. Plädoyer für eine ökologische linke Opposition, Hamburg 1992.

Engels, Friedrich: Grundsätze des Kommunismus, MEW Bd.19, Berlin 1974.

Gaßmann, Bodo: Klassenanalyse und politische Strategie. Eine Einführung am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, Garbsen 1993.

Gottschalch, Wilfried: Parlamentarismus und Rätedemokratie. Mit einem Lesebuch. Texte von Karl Marx u.a., Berlin 1968.

Hobbes, Thomas: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines bürgerlichen und kirchlichen Staates. Hrsg. u. eingl. v. Iring Fetscher. Übersetzt v. Walter Euchner, Ffm., Berlin, Wien 1976.

Horkheimer, Max: Autoritärer Staat. Die Juden und Europa. Vernunft und Selbsterhaltung. Aufsätze 1939-1941, Amsterdam 1967.

Kant: Ideen zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, in: Kant: Schriften zur Geschichtsphilosophie. Mit einer Einleitung hrsg. v. Manfred Riedel, Stuttgart 1974 (Reclam).

Locke, John: Über die Regierung. In der Übersetzung von Dorothee Tidow mit einem Nachwort hrsg. v. P. C. Mayer-Tasch, Stuttgart 1978 (Reclam). 

Luxemburg: Rosa Luxemburg: Sozialreform oder Revolution, Gesammelte Werke Bd. 1, Berlin 1974.

Marx, Karl: Kritik des Gothaer Programms, in: MEW 19, S. 15 - 32. (Marx-Engels-Werke, Berlin 1947 ff.)

Marx, Karl: Zur Kritik der Hegelschen Philosophie. Einleitung, in: MEW Bd. 1, Berlin 1974. 

Marx/Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, MEW Bd. 4, S. 459 - 493, Berlin 1974 u.ö.

Semprun, Jorge: Die große Reise. Roman, Berlin 1965.

Wenn Sie sich ausführlicher mit diesem Thema beschäftigen wollen, empfehlen wir Ihnen als weiterführende Lektüre:

Bodo Gaßmann: Klassenanalyse und politische Strategie. Eine Einführung am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, Garbsen 1993.

Nach dem Abschluss der Kurses Politik können Sie zum Kurs Naturphilosophie übergehen, wenn Sie unserem Vorschlag folgen wollen.

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Stand: 09. März 2008