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Wörterbuch ethischer Begriffe Einige wichtige ethische Begriffe sollen neue Aspekte der Ethik kenntlich machen oder Bekanntes aus dem Kurs ergänzen und präzisieren. Es sind sozusagen die Eckpfeiler einer materialistischen Ethik. (Wird weiter ergänzt.) Anmerkung: Die wahre Definition ist die Entwicklung des Begriffs in der systematischen Argumentation. Kurze Bestimmungen geben nur eine erste Vorstellung der Grundbedeutung. Siehe dazu auch: Bodo Gaßmann: Ethik des Widerstandes, den Auszug über "Freiheit". Autonomie Entfremdung Freiheit Ideologie/Wahrheit Imperativ der Veränderung Impuls, moralischer Interesse Menschenrechte Moral Moralgesetz/praktischer Imperativ Pragmatik pragmatische Regeln des Widerstandes Praktische Philosophie Praxis Situation Solidarität Verdinglichung Weltanschauung Werte/Werttheorie Würde
Selbstgesetzgebung. Das Selbst der Menschen ist wesentlich ihre Vernunft, die alle individuellen Aspekte des Selbst leiten sollte. Autonomie ist das Vermögen jedes Menschen, mittels seiner Vernunft seine Handlungsprinzipien und seine menschlichen Zwecke in Übereinstimmung mit anderen selbst zu bestimmen und dadurch zu persönlicher Freiheit zu gelangen. Nur die Prinzipien kann der Einzelne für sich anerkennen, die er selbst sich kraft seiner Vernunft gibt oder geben könnte. Autonomie ist dadurch Voraussetzung von Freiheit, die aber heute nur als gesellschaftsverändernde möglich ist. In der Wirklichkeit der Klassengesellschaft folgen die Menschen weitgehend den Moden, Trends und Kampagnen der Massenmedien. Selbst im geistigen Bereich wird der avancierte Stand des Denkens systematisch durch die bezahlten Ideologen verleugnet, indem sie einzelne Philosophien als "Paradigmen" bezeichnen, so dass ein "Paradigmenwechsel" eine neue geistige Mode suggeriert und damit autonomes Denken verhindert. Dieses ist Resultat der weltgeschichtlichen Erfahrungen der Menschheit, die ihren allgemeinen Ausdruck in der Entwicklung der Philosophien gefunden hat. Insofern steht der geistig autonome Mensch auf den Schultern der Denker der philosophischen Tradition. Wer sich aber nicht wenigstens zur geistigen Autonomie durchringt, ist ein bloßes Opfer der jeweiligen Verhältnisse. Er hat keine Würde.
Menschliche Produkte und die Wirkungen von Handlungen können sich verselbständigen und sich gegen den Hersteller oder Akteur richten. Diese Ent-fremdung ist der kapitalistischen Ökonomie systemimmanent, indem die Arbeit der Lohnabhängigen zu einem Mehrwert für den Kapitaleigner und zur Reproduktion des variablen Kapitals führt. Dieser Teil wird wieder zum Kauf der Arbeitskraft benutzt, so dass die Lohnarbeit nicht nur zur Produktion fremden Reichtums, sondern zur Reproduktion des Abhängigkeitsverhältnisses selbst führt. Daraus folgt die Entfremdung der Produzenten von ihrem Produkt, ihrer Tätigkeit, ihrem Selbst und der Gesellschaft. Die unbeherrschbaren Marktgesetze erzeugen weiter einen Automatismus in der Gesellschaft, so dass ihre Entwicklung nicht von den bewussten Entscheidungen assoziierter Menschen abhängt, sondern durch die zufälligen Entscheidungen Einzelner hindurch sich der blinde Mechanismus, einer vom Menschen produzierten und seiner Kontrolle entglittenen Eigengesetzlichkeit, durchsetzt. Aus dieser entfremdeten Zufälligkeit entspringen letztlich die Kriege und sozialen Katastrophen, wie sie das 20. Jahrhundert kennzeichnen. Da sich die Entfremdung im Kapitalismus durch die Köpfe der entfremdeten Menschen perpetuiert, können sie auch gemeinsam nur diese allgemeine Entfremdung durchbrechen.
ist die Realisierung vernünftiger Zwecke in der Wirklichkeit unter der Voraussetzung willkürlich nutzbarer Handlungsmöglichkeiten. Jedes menschliche Handeln impliziert ein Moment von Freiheit. Selbst ein Sklave musste bei der Feldarbeit zwischen Unkraut und Kulturpflanzen wählen können. Auch in der bestehenden Ökonomie ist die Produktion von Mehrwert materialisierte Freiheit. Diese Freiheit eignen sich aber nicht die unmittelbaren Produzenten an, sondern die Kapitaleigner. Und selbst die sind durch die blind wirkenden Gesetze ihrer Produktionsweise unfrei, insofern sie diesen Gesetzen gehorchen müssen. Wahre Freiheit ergibt sich deshalb erst in der Veränderung der Gesellschaft zum Sozialismus hin. Die im Kapitalismus angehäufte materialisierte Freiheit (große Industrie) ist dann eine notwendige Bedingung der Veränderung.
Ideologie ist notwendig falsches Bewusstsein, das der Herrschaftssicherung dient. Da wir heute von der anonymen Herrschaft des Kapitals bestimmt werden, sind die Ideologeme (einzelne ideologische Ideen) des Kapitalismus vorherrschend. "Notwendig" ist dieses Bewusstsein, insofern es aus der bloßen Existenz der herrschaftlich verfassten Gesellschaft erzeugt wird. So ist in der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft z.B. die Ideologie von der zwanghaften Aggressivität des Menschen entsprungen. "Falsch" ist dieses Bewusstsein, insofern historisch erzeugte Eigenschaften von Menschen zu dem anthropologischen Wesen der Menschheit umgedeutet werden. Andererseits ist es ein Bewusstsein, denn wir können Aggressivität in der Gesellschaft beobachten. Die Ideologie von der zwanghaften Aggressivität des menschlichen Wesens dient der "Herrschaftssicherung", da die Konkurrenz in der kapitalistischen Marktgesellschaft als natürliche erscheint und damit dieses System biologistisch absichert. Man kann sich im Konkurrenzkampf einbilden, bloß seinen natürlichen Anlagen nachzugehen, wenn man andere verdrängt, in die Pleite treibt oder ausbeutet. Die Notwendigkeit von Ideologien ist aber nicht erkenntnistheoretisch zu verstehen. Niemand muss so denken, wenn er gründlich über die Probleme nachdenkt. Dieser kritische Begriff von Ideologie setzt deshalb den emphatischen Wahrheitsbegriff der philosophischen Tradition bis Hegel voraus, nach der Wahrheit die adaequatio rei et intellectus (Übereinstimmung von Begriff und außerbewusstem Gegenstand) ist. "Da die Übereinstimmung selbst in das Denken fällt, hat die Reflexion ihre Substanz an der Frage nach dem logischen Ort des Gegenstandes, seiner Bewußtseinsimmanenz bzw. -transzendenz. Einem Denken, das sich mit Verweis auf den 'Wechsel des Paradigmas' der erkenntnistheoretischen Reflexion überhoben glaubt, stellt sich diese Frage nicht. Es muß die Voraussetzung jeder Wissenschaft und darüber hinaus jeder vernünftigen Rede: daß sie einen Gegenstand habe, als obsolet betrachten." (Frank Kuhne: Marx' Ideologiebegriff im Kapital, in: Das Automatische Subjekt bei Marx. Studien zum Kapital, Lüneburg 1998, S. 10.) Da die bürgerliche Philosophie den Begriff der Wahrheit seit dem 19. Jahrhundert aufgeben hat, ist ihr ein Moment von Ideologie eigen - auch wenn sie zu genauen Beobachtungen im Einzelnen kommt. In der materialistischen Dialektik, wie wir sie vertreten, ist der Gegenstandsbezug nach dem Modell der negativen Metaphysik konstruiert, insofern es sich nicht um einfache Bestimmungen der äußeren Realität handelt. (Vgl. Gaßmann: Logik, S. 99 f.; und unseren Kurs "Seinslogik")
Wenn gilt, dass die Beziehungen der Menschen entweder durch das Moralgesetz oder durch den Krieg jeder gegen jeden geregelt werden, dann sind gesellschaftliche und ökonomische Verhältnisse, die moralisches Handeln verunmöglichen, zu beseitigen. Nun verhindert die kapitalistische Produktionsweise, die auf ihr basierenden Produktionsverhältnisse und die ihr entsprechende Eigentumsordnung moralisches Handeln, das gesamtgesellschaftlich relevant ist. Also gilt der Marxsche Imperativ der Veränderung: "(...) alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist". (MEW Bd. 1, S. 385) Die entscheidenden Gründe für die Notwendigkeit, die kapitalistischen Produktionsweise und deren Produktionsverhältnisse abzuschaffen, sind im Einzelnen: "- Diese Produktionsweise ist von den Menschen nicht beherrschbar. Sie gefährdet durch ihre immanenten Widersprüche wie z.B. die in ihr angelegten Kriege nicht nur die Existenz einzelner Individuen oder Völker, sondern inzwischen durch den Entwicklungsstand der Destruktionsmittel auch die Existenz der gesamten Spezies. - Subjekt der kapitalistischen Ökonomie und ihrer Gesellschaft ist kein Herrscher, kein Vermögender, kein Konzernchef oder Kanzler, auch keine Klasse oder mächtige Gruppe, ja überhaupt kein Mensch, sondern ein Automatismus, ein „automatisches Subjekt" (Marx), d.h. die Gesetze, die im Begriff des Kapitals zusammengefaßt sind. Dieser Automatismus kommt nicht ohne die Tätigkeit der Menschen aus, sie halten ihn in Gang und werden so von den ihnen entfremdeten und unkontrollierbaren Mechanismus, den die Konkurrenz allen aufzwingt, beherrscht. Dies ist nicht nur den Menschen unwürdig, sondern gefährdet auch ihre Selbsterhaltung als Einzelne, als Gesellschaft und als menschliche Art. - Die Produktivkräfte schlagen durch die ökonomischen und sozialen Mechanismen um in Destruktivkräfte. Anstatt das Leben der Menschen zu erleichtern, zerstört die Kapitalökonomie dieses Leben und seine natürlichen Grundlagen. - Da die politische Organisation und die Gesellschaftsordnung auf die Verwertung des Werts ausgerichtet sind, sich dieser funktional unterordnen, ist gesamtgesellschaftlich Freiheit unmöglich - außer als Freiheit in der geschickten Verwertung des Werts. - Dadurch müssen auch die Individuen und ihre persönliche Freiheit - soweit vorhanden - leiden: sie sind faktisch bloße Mittel der Kapitalverwertung, als bloße Mittel aber in ihrer Existenz bedroht. - Durch die permanente Anhäufung von Reichtum bei den Kapitalbesitzern auf der einen Seite und dem gleichbleibenden Nicht-Besitz bei den Lohnabhängigen wird die Freiheit der letzteren immer prekärer und droht in völlige Abhängigkeit umzuschlagen, wie der Faschismus gezeigt hat; eine Möglichkeit, die in den Produktionsverhältnissen schlummert. - Die rechtliche Gleichheit - soweit vorhanden, ist nicht nur die Kehrseite und Absicherung der sozialen Ungleichheit, sie droht auch als rechtliche zu verschwinden, z.B. in der Form oligarchischer Privilegien. - Die Selbstentfaltung der Individuen ist wesentlich abhängig von ihren materiellen Möglichkeiten, deren ungleiche Verteilung verhindert die Selbstverwirklichung des größten Teils der Bevölkerung auf dem heute möglichen Niveau und führt bei den materiell Privilegierten zu depravierenden Erscheinungsformen von Selbstverwirklichung. - Damit die Menschen die gesellschaftlichen Zusammenhänge und deren ökonomische Gründe nicht massenhaft erkennen, hat sich eine gigantische Bewußtseinsindustrie entwickelt, die das Bewußtsein der meisten Menschen kolonisiert. - Gerechtigkeit kann es in einer kapitalistischen Gesellschaft nicht geben, weil diese auf einer Ökonomie beruht, die unter dem Schein des Äquivalententausches den Lohnabhängigen ein Nichtäquivalent abpreßt. - Die Aufrechterhaltung der Eigentumsordnung, die solche Ausbeutung rechtlich absichert, ist nur möglich durch Gewalt. Diese ist der Warenproduktion immanent und sie wird manifest durch Armee, Polizei, Gerichte, Gefängnisse und Irrenanstalten. - Der entscheidende moralische Grund, die kapitalistische Produktionsweise abzuschaffen, liegt darin, daß sie die Lohnabhängigen (ca. 90 % der Erwerbstätigen) zum bloßen Mittel der Verwertung des Werts macht - das aber widerspricht dem Moralgesetz, wie ich unten zeigen werde. Plump ausgedrückt, hat die Menschheit auf die Dauer nur die Alternative: Sozialismus oder Untergang." (Auszug aus: Bodo Gaßmann: Ethik des Widerstandes, S. 58 ff.)
Grundmotiv zur Umgestaltung der Gesellschaft. Jeder Mensch ist an seiner Selbsterhaltung interessiert. Da im Kapitalismus diese Selbsterhaltung ständig bedroht ist, was die Menschen aus den permanent aufbrechenden Widersprüchen dieser Wirtschaftsweise und ihren katastrophalen gesellschaftlichen Folgen erfahren, entsteht der Impuls, die Welt zu verändern. Aber erst wenn dieser Zusammenhang immer bewusster wird und nach vernünftigen Prinzipien erfolgt, wird aus dem zunächst gefühlsmäßigen Impuls politisches Handeln, das die Entstehung einer vernünftigen Gesellschaft befördert. Der moralische Impuls ist eine spontane Regung, die ohne Rücksicht auf unmittelbare Interessen Handlungen zur Folge hat, die anderen Menschen helfen oder doch auf eine solche intendieren. Der moralische Impuls ist der Anfang moralisch bestimmter Handlungen. Sätze wie: „Es soll nicht gefoltert werden“, oder: „Wir lassen nicht zu, dass rechte Schläger eine Farbige in der U-Bahn anpöbeln“, ergeben sich aus der somatischen und mimetischen Sphäre. Der moralische Impuls ist das Moment im moralischen Handeln, wo die vernünftigen Ziele der Menschheit praktisch werden. Als spontaner Impuls ist diese Regung des Gemüts auch nicht theoretisch begründet, ist aber als moralischer dem Moralgesetz kompatibel. Er richtet sich auf die besondere Situation und bedarf, damit ein solches Handeln dauerhaft und zur Praxis (durch Freiheit bestimmtes Handeln) wird, der theoretischen Schärfung durch die Analyse der Bedingungen und seinen begründeten Zusammenhang mit dem Moralgesetz. Da der moralische Impuls durch die vorhergehende Sozialisation und Erziehung oder durch Erfahrung bedingt ist, enthält er immer auch ein konservatives und an die bestehenden Verhältnisse gebundenes Moment. Insoweit er spontan ist, also die Analyse der Handlungsbedingungen nicht enthält, liegt in ihm die Gefahr, das Gegenteil von dem zu bewirken, das er intendiert. In Brechts “Heilige Johanna der Schlachthöfe“ z.B. will die Titelfigur aus moralischem Impuls den streikenden Arbeitern helfen, verrät aber dadurch deren Absicht, woraufhin einer der Arbeiter erschossen wird. (Doch auch einem reflektierten moralischen Handeln, das die Bedingungen seines Handelns kennt, ist kein Erfolg garantiert, da die Heteronomie durch ein anarchisches Moment gekennzeichnet ist, das unberechenbar ist.)
Andererseits gibt es kein moralisches Handeln, das nicht auch
psycho-somatisch und ästhetisch (auf die Sinneswahrnehmung bezogen) motiviert
ist. Denn eine ethisch-kognitive Erkenntnis allein führt gewöhnlich nicht zur
moralischen Tat. Kant, der sein Moralgesetz allein aus der Vernunft bestimmt,
damit es allgemeingültig ist, muss doch reflektieren, wie es im realen Leben
praktisch wird. „Um zu wollen, wozu die Vernunft allein dem sinnlich
affizierten vernünftigen Wesen das Sollen vorschreibt, dazu gehört freilich
ein Vermögen der Vernunft, ein Gefühl der Lust oder des Wohlgefallens an der
Erfüllung der Pflicht einzuflößen, mithin eine Kausalität derselben, die
Sinnlichkeit ihren Prinzipien gemäß zu bestimmen.“ (Gr.d.M.d.S., S. 98, BA
122/123) Nach Kant sind alle
Menschen des moralischen Impulses fähig, auch wenn er nicht diesen Begriff
verwendet: „Es ist niemand, selbst der ärgste Bösewicht, wenn er nur sonst
Vernunft zu brauchen gewohnt ist, der nicht, wenn man ihm Beispiele der
Redlichkeit in Absichten, der Standhaftigkeit in Befolgen guter Maximen, der
Teilnehmung und des allgemeinen Wohlwollens (und noch dazu mit großen
Aufopferungen von Vorteilen und Gemächlichkeit verbunden) vorlegt, nicht wünsche,
daß er auch so gesinnt sein möchte.“ (A.a.O.,
S. 90 f., BA 112)
Interesse meint im Gegensatz zu den Trieben und unmittelbaren Bedürfnissen ein politisch und ökonomisch vermitteltes Eintreten für eigene Zwecke und Bedürfnisse. Die liberale Theorie ging davon aus, dass die von allen befolgten egoistischen Interessen in einer Marktgesellschaft zur Förderung des Allgemeinwohls dienen. Demgegenüber hat Marx nachgewiesen, dass sich ein derart konstituiertes Allgemeinwohl nur durch permanente Krisen durchsetzt, die vor allem den Arbeitenden und den ökonomisch Schwachen bis zur Existenzvernichtung treffen. Ihr wahres Interesse kann deshalb auch nur in der Abschaffung eines ökonomischen Systems liegen, das sie zu Anhängseln einer entfremdeten Produktion verdinglicht. Man muss also zwischen den Interessen in der kapitalistischen Gesellschaft, die zum Überleben in dieser dienen, von den Interessen an der Abschaffung der kapitalistischen Gesellschaft unterscheiden. Beide Arten des Interesses sind miteinander vermittelt und können in Konflikt miteinander geraten. (Siehe z.B. "Bedingungen des Philosophierens")
Die Menschenrechte waren "ein großer Fortschritt" (Marx) gegenüber der Feudalgesellschaft, die mit ihrer Durchsetzung beseitigt wurde. Die Freiheit des Individuums, die Gleichheit vor dem Gesetz, das Recht auf Eigentum und Sicherheit, das Versprechen von Gerechtigkeit und die politische Partizipation der Bürger am Gemeinwesen sind der adäquate Ausdruck der sich etablierenden bürgerlichen Gesellschaft. Sie sind aber zugleich Ausdruck einer neuen Herrschaftsform, der des Kapitals. Das Recht auf Eigentum im Verbindung mit dem Freiheitsrecht war und ist noch die moralische und rechtliche Absicherung einer Produktionsweise, die immer mehr ökonomische Macht in den Händen weniger anhäuft, während die große Masse von der Verfügungsgewalt über Produktionsmittel ausgeschlossen wird und teilweise in Elend, Hunger und Not leben muss. Der soziale Inhalt der Menschen und Bürgerrechte droht durch diese Anhäufung von Reichtum bei wenigen, immer mehr unterhöhlt zu werden. (Im Einzelnen siehe dazu "Imperativ der Veränderung".) Die materialistische Ethik muss deshalb die Menschen- und Bürgerrechte verteidigen gegen ihren Abbau in der kapitalistischen Gesellschaft, sie muss aber zugleich auf deren sozialen Inhalt verweisen und die Notwendigkeit, sie in einer sozialistischen Gesellschaft auf eine neue Grundlage zu stellen, die ihre Versprechungen aller erst verwirklichen kann.
enthält die Gesetze der Freiheit des menschlichen Handelns. Dieser emphatische Begriff der Moral von Kant ist in der kapitalistischen Gesellschaft nur eine Utopie, da das Handeln der Menschen fremdbestimmt ist durch die Gesetze des Kapitals (wie z.B. das Wertgesetz). Kant begründet die Moral aus der Tatsache, dass ein bloß willkürliches Handeln zum Krieg aller gegen alle anderen führen muss. Diese allgemeine Konkurrenz in der kapitalistischen Marktwirtschaft bis hin zum Krieg lässt sich aber nicht durch eine allgemeingültige Moral verhindern, bestenfalls zeitweilig in gesetzlichen Bahnen regulieren. Dadurch wird Moral aber zur "ideellen Existenzbedingung der herrschenden Klasse" (Marx), d.h. sie stabilisiert ein gesellschaftliches System, das an sich unmoralisch ist. Wird diese allgemeine Moral durch die Interessenvertreter der Kapitaleigner in Form von Heuchelei, moralischer Ideologie usw. zum bloßen Herrschaftsmittel gemacht, dann untergraben sie ihre eigene ideelle Existenzgrundlage, d.h. die Lohnabhängigen verlieren den Glauben an diese moralischen Ideen. Eine materialistische Ethik hat auf diese Widersprüche hinzuweisen. Einige Sozialisten haben aus der Widersprüchlichkeit der kapitalistischen Moral die Konsequenz gezogen, Moral überhaupt abzulehnen. Sie verfallen dadurch regelmäßig auf bloßes Nützlichkeitsdenken, also einen sozialistischen Utilitarismus, der selbst eine moralische Ideologie ist. Denn gibt es kein allgemeines Moralgesetz, das aus der Vernunft begründet ist, dann entscheidet auch in der sozialistischen Gruppe, der sozialistischen Gesellschaft, einer sozialistischen Weltgesellschaft letztlich die Gewalt und der Konkurrenzkampf. Die Annahme einer allgemeinen Moral ist also auch für eine sozialistische Bewegung eine conditio sine qua non, eine ideelle Existenzbedingung, ohne die sie keine qualitative Differenz zur Klassengesellschaft verkörpert. In der Form der Solidarität im Kampf für eine bessere Welt ist diese Moral direkt wirksam. Da, wo Sozialisten gezwungen sind, unmoralische Mittel zu benutzen, vermitteln pragmatische Regeln den Zusammenhang zur Moral, indem sie die Verbindung des unmoralischen Handelns mit dem Ziel einer moralischen Gesellschaft durchsichtig machen. Andererseits gilt: Nur das gesellschaftsverändernde Handeln, das aller erst die Bedingungen für eine Moralität (moralisch bestimmte Gesellschaft) herstellt, ist moralisch legitimierbar.
Moralgesetz/praktischer Imperativ Ein Moralgesetz (Sittengesetz) oder praktischer Imperativ, der zugleich kategorisch ist, muss ein oberstes Gesetz sein, das alle anderen moralischen Regeln widerspruchsfrei unter sich fassen kann. Ein solches Gesetz hat einzig bis heute die Kantische Moralphilosophie schlüssig begründet. Es lautet: "Vernünftige Wesen stehen alle unter dem Gesetz, daß jedes derselben sich selbst und alle anderen niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck an sich selbst behandeln solle." (Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. BA 74 f.) Die Probleme dieses Gesetzes liegen in seiner notwendigerweise bloß formalen Gestalt und der mangelnden allgemeinen Einsenkung in die Gesellschaft, die als antagonistische ein Handeln nach diesem Gesetz für wesentliche Bereiche verhindert. Sozialisten, die eine qualitativ höhere Gesellschaft als die kapitalistische anstreben, müssen deshalb aller erst die Bedingungen der Möglichkeit dieses Moralgesetzes schaffen. Andererseits müssen in die Mittel des Handelns schon die moralischen Zwecke eingehen. Für den Widerstand und die Veränderung der antagonistischen Gesellschaft gelten deshalb die pragmatischen Regeln, die Moralgesetz und notwendig unmoralisches Handeln miteinander vermitteln. moralischer Impuls (sieh unter: Impuls, moralischer)
Pragmatik ist die philosophische Reflexion des Verhältnisses von Zwecken und Mitteln, die sich auf das Handeln in der Gesellschaft beziehen. Sie fragt danach, welche beliebigen Mittel zu irgendeinem Zweck angemessen sind. Moralphilosophie reflektiert dagegen nur das Handeln, das die Autonomie des anderen anerkennt. Wird der andere aber als Selbstzweck anerkannt, dann kann nicht jedes beliebige Mittel angewandt, nicht jeder Zweck angestrebt werden. Das Spannungsverhältnis zwischen moralischem und pragmatischem Handeln, das sich daraus in der Klassengesellschaft, die moralisches Handeln verhindert, ergibt, lässt sich nicht schlichten, sondern nur durchsichtig machen und mildern durch die pragmatischen Regeln einer sozialistischen Veränderung bzw. eines vernunftorientierten Widerstandes. pragmatische Regeln des Widerstandes 1. Haben Revolutionäre oder Widerständler die Wahl zwischen verschiedenen Mitteln, dann wählen sie diejenigen aus, die dem Moralgesetz am adäquatesten sind. 2. Es müssen, wenn notwendig, auch unmoralische Mittel erlaubt sein. 3. Nicht alle Mittel sind den Veränderern erlaubt (z.B. kein wahlloser Terror gegen eine Bevölkerung).
Die praktische Philosophie ist die Philosophie der Freiheit. Im Gegensatz zur theoretischen Philosophie, die erkennen will, was ist, geht es in der praktischen Philosophie um den Bereich des menschlichen Handelns, der nur denkbar ist mit einem Moment von Freiheit. Im Einzelnen bestimmt sie die Ziele des Handelns, setzt ethische Maßstäbe und reflektiert die objektiven und subjektiven Bedingungen des Handelns in der Gesellschaft. Praxis ist das freie, weil vernünftige Handeln in der Gesellschaft mit dem Zweck, die bewusste Produktion und Reproduktion der Gesellschaft unter den würdigsten Bedingungen durchzuführen. Da die kapitalistische Ökonomie freies Handeln, das sich auf die gesamte Gesellschaft erstreckt, verhindert, besteht heute Praxis in dieser emphatischen Bedeutung einzig darin, den Weg zum Sozialismus vorzubereiten.
a) Die historische Situation stellt die Umstände und Bedingungen des Handelns dar, die durch den Stand der Produktivkräfte, die Produktionsweise und die herrschenden Produktionsverhältnisse, also heute dem jeweiligen Stadium des Kapitalismus auf der Erde bzw. in den historisch unterschiedlich entwickelten Ländern gegeben sind. Dazu gehören auch die politischen Verhältnisse und kulturellen Traditionen eines Landes. b) Die konkrete Situation wird durch die historische Situation geprägt und stellt die besonderen Bedingungen erfahrbarer Umstände dar. Die genaue Analyse der historischen und konkreten Situation ist eine unerlässliche Voraussetzung vernunftbestimmten Handelns. Zugleich sind die Akteure selbst ein Teil der Situation, die sie auch verändern können. Als z.B. in Brasilien eine Alphabetisierungs-Kampagne in den 60er Jahren durchgeführt werden sollte, lebten die Lehrer erst ein halbes Jahr unter den Menschen, die sie alphabetisieren wollten, um ihre Lebensumstände kennen zu lernen als Voraussetzung einer sinnvollen Didaktik. Denn die Alphabetisierung sollte zugleich auch einer politischen Bewusstmachung dienen, welche die Menschen von einem magische zu einem rationalen Bewusstsein ihrer Lage anleiten wollte. Sie unterschätzten jedoch die historische Situation in dem halbfeudalen Land, denn die herrschende Klasse unterband durch einen Putsch das bisher erfolgreiche Programm.
ist allgemein gegenseitige Hilfe und Sympathie, die mehr gibt, als sie zurückerwarten kann. In der Solidarität ist das Moralgesetz schon als bestimmendes anwesend, während sonst erst die Bedingungen für das Moralgesetz herzustellen sind. In der sozialistischen Moral ist Solidarität das wichtigste Handlungsprinzip, da eine Abschaffung von Herrschaft und damit die Verallgemeinerung von Solidarität auf die ganze Gesellschaft, tendenziell auf die ganze Welt (Internationalismus), die Solidarität der Beherrschten voraussetzt. Sie können der ökonomischen Macht des Kapitals nur die große Zahl entgegensetzen. Solidarität äußert sich in Streiks, anderen Formen des Klassenkampfes und in der Unterstützung hilfsbedürftiger Genossen. Im Gegensatz zu pervertierten Formen der Solidarität wie blinde Disziplin, Kollektivismus und Autoritarismus, die das solidarische Individuum vereinnahmen und zum bloßen Mittel degradieren, erkennt eine legitime Forderung nach Solidarität immer das Individuum in seiner Autonomie an. Solidarität ist deshalb prinzipiell nur als freiwillige denkbar.
Allgemein heißt Verdinglichung einen Gedanken, eine menschliche Eigenschaft usw. zu einem Ding machen. So verdinglicht ein Handwerker z.B. seine Idee von einem Möbel in dem vor ihn liegenden Holz. Arbeitet er aber für das Kapital, dann dient dieser Begriff zur Kritik seiner Abhängigkeit. Da im Warentausch Privatbesitzer für einen anonymen Markt produzieren, erscheint ihre Beziehung untereinander, welche die Gesellschaft konstituiert, als eine Beziehung von Dingen. Das gesellschaftliche Verhältnis ist in den Waren verdinglicht. Der Anbieter der Ware Arbeitskraft muss sich zum Ding reduzieren, um eine Qualität seiner Person, die Arbeitskraft, anbieten zu können, da all seine anderen Qualitäten mehr oder weniger bedeutungslos sind für die Kapitaleigner. Insofern ist die Verdinglichung die objektive Seite der Entfremdung.
Jeder Mensch macht
sich eine Vorstellung von der Welt. Wahrscheinlich haben sogar höhere Säugetiere
eine sinnliche Vorstellung von ihrer Umgebung. Die Menschen können aber über
ihren unmittelbaren Umkreis hinausschauen – und jede Grenze ist ihnen nur
Anlass gewesen diese zu durchbrechen. So haben die Griechen und Römer alle äußeren
Völker als Barbaren angesehen, durch ihr Expansionsstreben mussten sie sich
aber mit ihnen arrangieren. Im späten Mittelalter wurde nicht nur begonnen neue
Handelswege zu suchen und die ganze Erdkugel zu erforschen, sondern diese auch
als Mittelpunkt der Welt zu bezweifeln. Das neue „Weltbild“ von Kopernikus,
Galilei und Keppler revolutionierte das Verständnis vom Kosmos und heute träumen
die Menschen mit schlechten Filmen zwischen den Galaxien hin- und
herzureisen. Die Philosophie ging z.T. andere Wege, sie wollte nicht
das äußere Weltbild erweitern, sondern die Welt in ihren Prinzipien, die sie
regieren, erkennen. Ein Höhepunkt dieser Spekulation war der Hegelsche absolute
Idealismus. Hegel meinte die Prinzipien der Welt insgesamt mit seinem System
erfasst zu haben. Er versteifte sich sogar dahingehend, seine Logik als Gedanken
Gottes vor der Erschaffung der Welt und die materialen Prinzipien als
Selbstbewusstsein Gottes zu bestimmen, das im Menschen zum Ausdruck käme. Aber
schon zu seinen Lebzeiten machten die Naturwissenschaften Entdeckungen, die
seinen Weltprinzipien widersprachen und die Geschichte leitete Revolutionen ein,
die seiner Geschichtsauffassung zuwider liefen. (Dennoch kann man eine Menge von
Hegel lernen!) Die Philosophie nach Hegel – in der Defensive gegenüber
den Einzelwissenschaften – ersetzte das System der Prinzipien durch eine –
„Weltanschauung“. Sie reagierte damit einmal auf die Unmöglichkeit die Welt
als Ganze in einem System zu erfassen und zum anderen auf das Bedürfnis nach
einer Sichtweise, die sich auf die Ganzheit der Welt bezieht. Denn, wie gesagt,
der Mensch kann sich nicht von einer Deutung der Welt als Ganzer verabschieden,
er benötigt ein Bewusstsein der Totalität, ohne das kann er als
vernunftbegabtes Wesen nicht existieren. Eine Philosophie als
„Weltanschauung“ ist aber problematisch. Die Welt als Ganze lässt sich
nicht anschauen. Selbst das heliozentrische Weltbild ist kein Bild, weil es mit
den Augen gar nicht beobachtbar ist. Deshalb kann sich da, wo das prinzipielle Wissen der
Philosophie und die Gesetzeserkenntnis der Einzelwissenschaften aufhört,
Irrationales, Ideologie, Aberglaube und religiöse Spinnerei breit machen. So
war z.B. für Marx der Begriff ‚Ideologie’ noch falsches Bewusstsein, das
der Herrschaftssicherung dient, bei Lenin wird daraus jede Art
„Weltanschauung“, so dass es geistig nur noch um den Kampf der
„proletarischen Ideologie“ mit der „bürgerlichen Ideologie“ ging.
Die heutige geistige Situation, die ein vollständiges
System der Weltprinzipien als unmöglich erkennt und „Weltanschauung“ immer
mit Irrationalismen behaftet durchschaut, ist nicht aus diesem Dilemma zu
befreien. Man kann nur den Rat geben, die Welt soweit es geht in ihren
Prinzipien zu erkennen, ohne auf ein vollständiges Weltsystem zu hoffen. Und da
gibt es ja einiges an Prinzipienwissen, das die Welt verstehen lehrt: In der
Physik die Grundkräfte, deren schlüssiger Zusammenhang (Weltformel) aber noch
nicht herausgefunden wurde; in der Chemie das Periodensystem der Elemente; in
der Biologie der genetische Kode, dessen Wirkung aber erst vereinzelt klar ist;
in der Ökonomie die Marxsche
Kapitalanalyse, deren Prophezeiung vom Untergang
des Kapitalismus mit einer sozialistischen Hoffnung aber nur eine Möglichkeit
ist; und nicht zuletzt in der Philosophie die Logik, die es immerhin über
zweitausend Jahre gibt, und das kritische Instrumentarium des Denkens, mit
dessen Hilfe sich Rattenfänger, Verdummer und Manipulateure erkennen und auf
die Finger klopfen lassen. Auch in der philosophischen Disziplin der Ethik gibt
es das begründete Moralgesetz, keinem Menschen als bloßes Mittel, sondern
immer auch als Zweck an sich selbst zu behandeln; aber wie dieses in der
Menschheit durchsetzbar ist, damit ein ewiger Friede herrscht – das ist ein
ungelöstes Problem. Ein vollständiges
systematisches Prinzipienwissen der Welt gibt es nicht, es bleibt vieles, was
generell unserem Denken nicht zugänglich ist, wie Kants „intelligibles
Substrat“, und was noch zu entdecken und zu erforschen ist. Es bleibt uns
nichts anderes übrig, als sich mit diesen Lücken unseres Wissens abzufinden
oder weiter zu forschen. Eine „Weltanschauung“ ist immer schon die Weigerung, die Welt begreifen zu wollen. Heute herrscht die Rede über Da Werte als etwas durchgängig subjektives aufgefasst werden, muss dies zwangsläufig zu einem Kampf um Werte oder gar zu einem "Krieg der Werte" führen. Schon während Der moralische Wertbegriff ist in Anlehnung an den ökonomischen daraus die Aufgabe der Philosophie, "Werte" objektiv, d.h. auch Doch sowohl die Begründung aus einem "Normalbewußtsein" Eine vom Objekt her begründete Werttheorie (Scheler) kann
heißt, keinem Gesetz und Befehl zu folgen, die ich mir nicht kraft meiner Vernunft selbst geben könnte. Folge ich der Straßenverkehrsordnung und fahre auf der rechten Straßenseite, dann ist dies nicht würdelos, da meine Vernunft dieser Regelung zustimmen kann. Folge ich hingegen dem Wertgesetz, das sich als blind wirkendes Gesetz in der Regellosigkeit des Marktes durchsetzt, und ich muss ihm folgen, um überleben zu können, dann ist dies würdelos. Ein würdevolles Leben in der kapitalistischen Gesellschaft ist deshalb nur möglich als Widerstand dagegen.
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