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   Bedingungen des Philosophierens

Erste Bedingung des Philosophierens wie überhaupt von wissenschaftlicher Tätigkeit ist die Freistellung von der unmittelbaren Sorge um das Essen, die Kleidung und die Unterkunft, also die Sicherung der notwendigen Lebensbedürfnisse. Dies wusste schon Aristoteles.

   Aristoteles 

"Als schon alles Derartige geordnet war, da wurden die Wissenschaften gefunden, die sich weder auf die notwendigsten Bedürfnisse, noch auf das Angenehme des Lebens beziehen, und zwar zuerst in den Gegenden, wo man Muße hatte. Deshalb bildeten sich in Ägypten zuerst die mathematischen Künste (Wissenschaften) aus, weil dort dem Stande der Priester Muße gelassen war. (Metaphysik 981 b)

Besitz, Freisetzung von körperlichen Arbeit und deren Verrichtung durch Sklaven sind Voraussetzungen der Freiheit eines Menschen und der Verwirklichung seiner Vernunft in der Polis. Das ökonomische Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnis, das auf der "Aneignung fremden Willens" beruht, ist daher konstitutive Bedingung der antiken Subjektivität. (Vgl. K.W. Schmidt: Logik und Polis, Dissertation, Hannover 1982)

Auf der Basis dieser ökonomischen Unabhängigkeit (Autarkie) wird in vorkapitalistischer Zeit auch die innere Unabhängigkeit möglich, um als Philosoph allein dem Streben nach Wahrheit verpflichtet sein zu können. Der Philosoph kann zum "Priester der Wahrheit" (Fichte) werden. Sein Denken stimmt mit seinem Tun überein, soweit dies in einer herrschaftlich verfassten Gesellschaft möglich ist. 

   Descartes

"So habe ich denn heute zur rechten Zeit meine Gedanken aller Sorgen entledigt, mir ungestörte Muße in einsamer Zurückgezogenheit verschafft und werde endlich ernsthaft und unbeschwert zu diesem allgemeinen Umsturz meiner Meinungen schreiten." (Descartes: Meditationen, 1.1.)

Aus der Biografie von Descartes ist bekannt, dass er ein Vermögen erbte, unter anderem ein Gut. Seine materielle Existenz war demnach durch seine von ihm abhängigen Bauern gesichert. Inwiefern diese Ausbeutung zu Erkenntnisschranken führt, muss bei jedem Einzelnen konkret untersucht werden. So ist von Aristoteles bekannt, dass er zum Wesen des Menschen die Vernunft zählte, den "Sklaven von Natur" aber die Vernunft absprach. Wird nun der Wissenschaftler zum abhängig Beschäftigten, sei es als Lehrer, sei es als Angestellter einer Firma, dann wird die Unabhängigkeit des Denkers zusätzlich zu seinen Stände- oder Klassenschranken durch seine ökonomische Abhängigkeit problematisch. Dies hat Nietzsche registriert.

   Nietzsche

"Niemand darf es wagen, das Gesetz der Philosophie an sich zu erfüllen, niemand lebt philosophisch, mit jener einfachen Mannestreue, die einen Alten zwang, wo er auch war, was er auch trieb, sich als Stoiker zu gebärden, falls er der Stoa einmal die Treue zugesagt hatte. Alles moderne Philosophieren ist politisch und polizeilich, durch Regierungen, Kirchen, Akademien, Sitten und Feigheiten der Menschen auf den gelehrten Anschein beschränkt; es bleibt beim Seufzer 'wenn doch' oder bei der Erkenntnis 'es war einmal'. Die Philosophie ist innerhalb der historischen Bildung ohne Recht, falls sie mehr sein will als ein innerlich zurückgehaltenes Wissen ohne Wirken (...)  Ja, man denkt, schreibt, druckt, spricht, lehrt philosophisch - so weit ist ungefähr alles erlaubt; nur im Handeln, im Handeln, im sogenannten Leben ist es anderes: da ist immer nur eins erlaubt und alles andere einfach unmöglich: so will's die historische Bildung. Sind das noch Menschen, fragt man sich dann, oder vielleicht nur Denk-, Schreib- und Redemaschinen?" (F. Nietzsche: Unzeitgemäße Betrachtungen)

Kommt dann noch ein Philosoph daher, der den Widersinn der Klassengesellschaft und ihr automatisches Subjekt kritisiert, versucht die herrschende Klasse ihn aller Existenzmittel zu berauben und ihn psychisch zu vernichten. Brecht hat diese Erkenntnis einem Emigranten in den Mund gelegt:

   Brecht über die Nebenkosten 

   beim Studium des Marxismus

"Eine halbwegs komplette Kenntnis  des Marxismus kostet heut, wie mir ein Kollege versichert hat, zwanzigtausend bis fünfundzwanzigtausend Goldmark und das ist dann ohne die Schikanen. Darunter kriegen Sie nichts Richtiges, höchstens so einen minderwertigen Marxismus ohne Hegel oder einen, wo der Ricardo fehlt usw. Mein Kollege rechnet übrigens nur die Kosten für die Bücher, die Hochschulgebühren und die Arbeitsstunden und nicht was Ihnen entgeht durch Schwierigkeiten in Ihrer Karriere oder gelegentliche Inhaftierung, und er läßt weg, daß die Leistungen in bürgerlichen Berufen bedenklich sinken nach einer gründlichen Marxlektüre; in bestimmten Fächern wie Geschichte oder Philosophie werdens nie wieder wirklich gut sein, wenns den Marx durchgegangen sind." (Flüchtlingsgespräche, in: werkausgabe Bd. 14, Ffm. 1975, S. 1440)

Wenn Sie Lust haben, sich auf die ersten Schritte in die Philosophie einzulassen, dann geht es weiter mit dem

Kurs: Praxis

 

 

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Copyright © 2004 Erinnyen Zeitschrift für materialistische Ethik        
Stand: 09. März 2008